Einzigartiges Pilotprojekt in Nordhorn vereint Beratungsdienste der Kirchen
Bereits seit einem Monat wird der rote Klinkerbau mit seinen farbig schimmernden Glasfenstern eingerichtet und haben die kirchlichen Beratungsdienste nach und nach ihre Arbeit aufgenommen. Der „Compass“, wie das neue Diakonie-Caritas-Haus in der Nino Allee in Nordhorn heißt, richtet sich nach fünfeinhalbjähriger Planungs- und Bauzeit aus. Die Hardware sei fertig, nun komme es auf die Software an, begrüßte der Präses des reformierten Synodalverbands, Heinz-Hermann Nordholt mit zahlreichen Gästen auch die leitenden Geistlichen der Konfessionen, Kirchenpräsident Martin Heimbucher, Regionalbischof Detlef Klahr und Bischof Franz-Josef Bode, die gekommen waren um dem ökumenischen Beratungshaus ihren Segen zu geben. „Hilfe, auch professionelle Hilfe, beginnt immer mit dieser Bewegung des Herzens, die den Menschen wahrnimmt“, erläuterte der lutherische Regionalbischof des Sprengels Ostfriesland-Ems die Bedeutung des Gebäudenamens im gemeinsamen geistlichen Grußwort. Die Hilfsangebote des Hauses und die Mitarbeitenden seien wie ein Kompass ausgerichtet in Richtung Barmherzigkeit.
In mehreren Talkrunden während der Feierstunde diskutierten die drei Geschäftsführer der beteiligten Trägerkonfessionen, sowie Gäste aus Politik und Kirche Konzept und Werdegang dieses bundesweit einmaligen Pilotprojekts, das in der Umsetzung gut 3 Mio Euro gekostet hat. Franz Loth, Direktor des Caritasverbands Osnabrück betonte, dass die Kirchen ihre Beratungsangebote als Selbstverpflichtung sehr ernst nähmen und dass dieses in bewährter ökumenischer Zusammenarbeit in der Grafschaft nun ganz neu möglich sei. „Es wächst zusammen, was zusammen gehört“, ergänzte der Grafschafter Caritasgeschäftsführer Hermann Josef Quaing. In dem als Niedrigenergiehaus umgesetzten Objekt mit 30 Büros auf vier Etagen sind alle Beratungsangebote der drei Kirchen nach Fachgruppen, nicht nach Konfessionen geordnet. Dazu gehören die Freiwilligendienste, die Schuldner- und Insolvenzberatung, Suchtberatung und Schwangeren- sowie Schwangerschaftskonfliktberatung und Unterstützung von Migranten. Die allgemeine Sozialberatung, die Wohnungslosenhilfe und eine Altentagesstätte runden das Angebot ab. Die Mitarbeitenden der drei kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen wirken trägerübergreifend zusammen.
Die Geschäftsführerin der lutherischen Diakonie des Kirchenkreises, Dorothea Währisch-Purz bewertete die Umstellung aber auch für die Klienten des Hauses: „Der Vorteil für die Ratsuchenden sind kürzere Wege, der Wegfall von drei Einzelstandorten und die Möglichkeit, alle Beratungsangebote unter einem Dach zu finden. Oder auch nur in der Cafeteria unten zu sitzen, um Kraft und Mut zu sammeln für den ersten Schritt.“ Erste Rückmeldungen, so Quaing seien bislang nur positiv. Die Freude der Klienten über die vielen Angebote im hellen Gebäude durch die freundlichen Mitarbeitenden lösten eine Art Aufbruchsstimmung aus, so der Caritasgeschäftsführer.
Die Bemerkung des Vorstandssprechers der Diakonie in Niedersachsen, Christoph Künkel, Caritas und Diakonie seien damit in ihrer Arbeit weiter als die Kirchen, wurde allerdings in der Grafschafter Runde nicht widerspruchslos hingenommen. Nicht nur die Bischöfe betonten, dass die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Wesensäußerung von Kirche seien und damit Ausdruck christlichen Selbstverständnisses. Auch Landrat Friedrich Kethorn deklarierte den hohen symbolischen Wert, den die erfahrene Ökumene für die Region auszeichnet. Neben dem, europaweit einmalig, von sechs Konfessionen getragenen Kloster Frenswegen seien es gerade die gut aufgestellten ökumenischen Projekte der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Grafschaft, die parteiübergreifend die Anerkennung der kirchlichen Arbeit sicherten. Außerdem werde bereits seit vielen Jahren eine Kirche von den drei Konfessionen gemeinsam genutzt. Dazu trete nun das ökumenische Kompetenzzentrum Compass.
Der Nordhorner Pastor Simon de Vries ergänzte, dass Zusammenarbeit auf Gemeindeebene schon seit den 50er Jahren bestünde, gerade im Jugendbereich.
„In der Grafschaft gibt es eine große Bereitschaft, ökumenisch zu denken und zu arbeiten“, so auch die reformierte Pastorin Beatrix Sielemann-Schulz. Deshalb sehe sie das „Compass Haus“ als bleibende Aufgabe für die Mitarbeitenden und das christliche Profil. Bürgermeister Thomas Berling wertet das neue Haus als „Kompetenzzentrum für Hilfe“. Als solches solle es sich gut einprägen. Den Menschen sei es wichtig, Hilfe und Beratung zu finden, die Glaubensrichtung sei da erstmal zweitrangig. Der barmherzige Samariter frage nicht danach, wer einer ist, oder woher er komme, sondern wir ihm geholfen werden könne. (Ulrich Hirndorf)