2017 ein ökumenisches Reformationsjubiläum

Nachricht Neustadtgödens, 23. März 2017

„Radikal angepasst – erste Täufer in der Herrlichkeit Gödens“

Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr hielt als Schirmherr eine Festrede zur Eröffnung der Sonderausstellung „Radikal angepasst – erste Täufer in der Herrlichkeit Gödens“ in der Evangelisch-lutherischen Kirche Neustadtgödens. „Das Evangelium von Jesus Christus und die Taufe verbinden christliche Konfessionen“, sagte der Regionalbischof für den Evangelisch-lutherischen Sprengel Ostfriesland-Ems und betonte, für Christen gelte: Christus sei ihre gemeinsame Mitte. Es ginge im Miteinander mit den anderen Konfessionen darum, die Gemeinsamkeiten zu betonen und dabei das Trennende nicht auszuklammern. Der Regionalbischof freute sich darüber, dass dies bei den Gedenkfeierlichkeiten im 500. Jubiläumsjahr der Reformation im Vordergrund stünde: „Nie zuvor ist ein  Reformationsjubiläum in solcher ökumenischer Verbundenheit gestaltet worden wie heute!“, und Klahr erwähnte die Begegnung zwischen Papst Franziskus und dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Munib Younan, zum Auftakt des Jubiläumsjahres in Lund.

Auch die jahrhundertelange Ausgrenzung, Verfolgung und gar das Töten von Menschen anderer Konfession nahm der Festredner in den Blick: „Im Bekämpfen, Abgrenzen und Verketzern standen sich alle nicht nach!“

 

Mit besonderer Freude begrüßte Klahr die aus Emden und Leer angereisten Gemeindeglieder der Mennonitengemeinde und erzählte davon, dass er 2010 als Delegierter des Lutherischen Weltbundes in Stuttgart miterlebt habe, wie die Lutheraner ihr eigenes Fehlverhalten den Mennoniten gegenüber bekannten, sich bei ihnen entschuldigten und sie um Vergebung baten für das Leiden, das den Täufern von lutherischer Seite im 16. Jahrhundert zugefügt wurde und für alle Verletzungen bis heute. „Die Bitte um Vergebung und dieses Zeichen des Friedens hat mich angerührt“, sagte Klahr.

Auch erwähnte Klahr den gemeinsamen Gottesdienst der römisch-katholischen Kirche und der Protestanten der Evangelischen Kirche in Deutschland im März in Hildesheim: „Wir haben uns gegenseitig seit Jahrhunderten verletzt und nun hat man sich die Hand gereicht und versprochen, künftig gemeinsam den Weg des Glaubens in dieser Welt zu bezeugen.“ Dies sei eine wichtige Frucht dieses Reformationsjubiläums: Ein Jubiläum des ökumenischen Miteinanders. „So wie wir auch hier in Neustadtgödens als Katholiken, Mennoniten, Reformierte und Lutheraner zusammengekommen sind.“

Dieses Jubiläum werde als ökumenisches Jubiläum in die Geschichte eingehen. Das bedeute keinen Verlust des eigenen Profils, sondern auf Grund des eigenen Standpunktes die anderen Konfessionen als Ausdrucksformen des Glaubens wahrzunehmen.

„In Neustadtgödens können wir lernen, was es bedeutet, die Vielfalt zuzulassen, auch weitere Religionen“, so Klahr. Dass Toleranz möglich sei, müsse durch die Gesetzgebung des Staates geregelt sein. Dann könnten verschiedene Konfessionen und Religionen in Vielfalt neben- und miteinander in Frieden leben.

Stephan Eiklenborg, Bürgermeister der Gemeinde Sande, würdigte Martin Luther als Reformator: „Dieser Mann zeigte Rückgrat, als er vor dem Reichstag in Worms nicht widerrief!“ Luther betonte in seiner Theologie den gnädigen Gott dem Sünder gegenüber, der aufrichtige Reue und Liebe zu Gott zeige. Gottes Gnade in Christus sei für den Reformator Mitte und Ziel der ganzen Heiligen Schrift. Durch seine Übersetzung der Bibel ins Deutsche habe Luther die deutsche Sprache bis heute geprägt.

Das Wirken Luthers sei nachhaltig gewesen, weil sein Kurfürst ihn geschützt habe, so Eiklenborg.

Eine Einführung in die Sonderausstellung gaben die Museumsleiterin des Schlossmuseums Jever, Professorin Dr. Antje Sander, und der Dauerkurator im Landrichterhaus, Stephan Horschitz.

„Auf der ostfriesischen Halbinsel ist, was die Reformation angeht, vieles anders und besonders“, sagte Professorin Sander. Hier fanden Synoden und Zusammenkünfte in den Burgen und Steinhäusern der Häuptlinge statt und damit ein Austausch auf der Suche nach der rechten Lehre. Toleranz ermöglichte den theologischen Disput ohne Scheiterhaufen. Viele Glaubensflüchtlinge hätten hier ein neues Zuhause gefunden, wenn sie sich der gesellschaftlichen Struktur anpassten.

 

Im ganzen Reichsgebiet Geächtete bekamen hier hohe Stellungen, sagte Stephan Horschitz und erwähnte die die drei ersten Täufer, die aus dem zerstörten Täuferreich in Münster kamen: Hinrich Krechting, Wolter Schemering und Dr. Gerhard Westerburg. Alle drei Täufer traten der reformierten Kirche bei. In der Herrlichkeit Gödens bekamen die Neuankömmlinge eine Aufgabe und verhalfen dem Ort zum wirtschaftlichen Aufschwung, indem er zu einem pulsierenden Handelszentrum am Jadebusen wurde.

Die Sonderausstellung betrachte die aus der Reformation entstandene Täuferbewegung und deren Aufnahme in Gödens ab 1530.

 

Aus der Diskussionskultur, die die Reformation mit sich brachte, seien verschiedene Konfessionen entstanden, würdigte die Reformationsbotschafterin der EKD, Professorin Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann, die Vielfalt der Reformation. Bürgermeister Eiklenborg verlas ein Grußwort der Reformationsbotschafterin.

„Neustadtgödens stehe für die Vielfalt des christlichen Glaubens und der Religionen. Lutheraner, Reformierte, Katholiken, Mennoniten und Juden bauten hier ein Gemeinwesen auf. Sie verantworteten den wirtschaftlichen Aufstieg ihres Hafenortes und schrieben Toleranzgeschichte“, so Käßmann. Der Zauber der Toleranz sei der Beitrag aus der Geschichte von Neustadtgödens zum Reformationsjubiläum 2017. „Fünf Sakralgebäude, vier christliche Gemeinden – andernorts einst im erbitterten Streit – leben bis heute auf engem Raum zusammen. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger bereicherten diese Geschichte.“ Das Gedenken an die Vernichtung des jüdischen Lebens durch den Nationalsozialismus schmerze heute in besonderer Weise, betonte Käßmann.

Das Wort, das Martin Luther 1522 von der Kanzel der Wittenberger Stadtkirche gepredigt habe, gelte für die Veranstaltungsreihe in Neustadtgödens zum Jubiläumsjahr. In diesem Ort werde auch 2017 selber gedacht und viel diskutiert. Luther sagte: „Gott will keine Zuhörer oder Nachplapperer des Wortes, sondern Nachfolger und Ausübende.“ Dabei setze Luther auf engagierte Frauen, Männer und Kinder. „Die Reformation nahm Menschen in die Verantwortung, selbst zu lesen, zu fragen, zu denken“, stellte Margot Käßmann die Bedeutung der Reformation heraus.

Grußworte sprachen der Geschäftsführer der Oldenburgiscen Landschaft, Dr. Michael Brandt und der Landrat des Landkreises Friesland, Sven Ambrosy. „Der Frieden ist das Wichtigste“, sagte der Landrat. „Nur wo Frieden herrscht, kann Handel stattfinden, wachsen Wirtschaft und Bildung.“ Das könne an dem Ort Neustadtgödens gezeigt werden, so Ambrosy.

 

Durch den Abend führte die gastgebende Pastorin Kerstin Tiemann. Musikalisch gerahmt wurde die Veranstaltung von dem Organisten der lutherischen Kirchengemeinde, Uwe Mahnken. Mit seinem beeindruckenden Orgelspiel unternahm er einen Streifzug durch unterschiedliche europäische Länder und Zeiten.

Der Festakt endete mit einem Rundgang durch die Ausstellung im Landrichterhaus, Brückstraße 19.

Vom 24. März bis zum 31. Oktober 2017 ist die Ausstellung Dienstag bis Freitag 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr sowie nach Vereinbarung zu sehen. Der Eintritt ist frei.