Auftakt der Sommerakademie in Leer mit Dr. Klahr
„Luther ist umstritten und dennoch bin ich gerne Lutheraner“, sagte der Schirmherr der Sommerakademie an der Lutherkirche in Leer, Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr, zum Auftakt der sechswöchigen Veranstaltungsreihe. Den mehr als hundert Besuchern schilderte der Regionalbischof des Evangelisch-lutherischen Sprengels Ostfriesland-Ems in anschaulicher und persönlicher Weise, was ihn an Luther begeistert, was ihn aber auch zu deutlicher Distanzierung herausfordert. So sei es die Sprachkraft Martin Luthers, die ihn bis heute beim Lesen seiner Predigten fessele oder die in seiner Bibelübersetzung zum Ausdruck komme. Luther ginge es darum, den Bibeltext der eigenen Sprache anzupassen. In diesem Sinn werde nun zu Beginn des Jubiläumsjahres am 31. Oktober 2016 eine revidierte Übersetzung der Lutherbibel erscheinen. Faszinierend sei es auch, dass ein einzelner Mönch es gewagt hatte, vor dem Reichstag zu Worms zu sagen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“
„Ich bin gerne Lutheraner und manchmal gehört Mut dazu, das zu sagen!“, sagte Dr. Klahr. Anfangs sei es für Luther befremdlich gewesen, dass seine Anhänger sich nach ihm benennen, wollte er doch eigentlich nur seine Kirche reformieren und keine eigene Kirche gründen.
Das Feiern des Reformationstages habe Klahr von Jugend auf mit den besonderen Liedern, Bräuchen und Gottesdiensten geprägt. Die Frage sei nun, wie Luther zum 500-jährigen Reformationsjubiläum darzustellen sei, hätte doch jedes Jahrhundert sein eigenes Lutherbild gehabt, auch Luther selbst habe früh sein Bild in seine Schriften drucken lassen.
Nun gebe es auch Aussagen Luthers, von denen man sich distanzieren müsse. Das betrifft unter anderem Luthers Verhältnis zu den Juden in seinen späten Lebensjahren. Während seine frühe Schrift über die Juden 1523 ein Plädoyer für die Juden war, so war die zweite Schrift zwanzig Jahre später eine Schmähschrift gegen sie. Besonders diese Schrift habe in der deutschen Geschichte eine fürchterliche Wirkungsgeschichte gehabt, weil die Nationalsozialisten sie für sich in Anspruch genommen hatten.
„Im Vorfeld zum Jubiläum können wir an dieser Schuldgeschichte nicht vorbeigehen“, sagte Klahr und zitierte damit den Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Martin Luther und die Juden – Notwendige Erinnerung zum Reformationsjubiläum“. „Ich bin froh über die Verlautbarung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom November vergangenen Jahres“, sagte Klahr als EKD-Synodaler. Als Vorsitzender des Ausschusses für Schrift und Verkündigung freute Klahr sich über die Einstimmigkeit der EKD-Synode zu dieser Verlautbarung. Auch sei es erfreulich, dass die Landeskirche Hannovers ihr besonderes Verhältnis zu den Juden 2015 in ihre Verfassung so aufgenommen habe, dass Gottes bleibende Erwählung des jüdischen Volkes respektiert werde.
Zum Reformationsgedenken gehöre der Aufruf zur Buße, schließlich habe Luther seine 95 Thesen zur Ablasskritik damit begonnen, die er am 31. Oktober 1517 veröffentlicht hatte.
Nach 500 Jahren sei es endlich möglich, das Reformationsjubiläum ökumenisch zu begehen. Papst Franziskus und der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Munib Younan, eröffnen das Jubiläumsjahr am 31. Oktober in diesem Jahr mit einem Gottesdienst in Lund/Schweden. Dabei stehe das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus im Vordergrund, aber auch die Schuld, die man im Umgang miteinander auf sich geladen habe.
Ein weiteres besonderes Kennzeichen des großen Jubiläums sei es, so Klahr, dass noch nie ein Reformationsjubiläum mit ordinierten Frauen gefeiert worden sei, zeichne es doch glücklicherweise die lutherische Kirche aus, dass in ihr auch Pastorinnen das Evangelium verkündigen. Und als dritte Besonderheit des kommenden Jubiläums nannte Klahr den Respekt im Umgang mit anderen Religionen, sei unsere heutige Gesellschaft nicht mehr nur durch eine Pluralität der Konfessionen, sondern auch der Religionen geprägt.
Das Format der Sommerakademie gab die Möglichkeit, Themen des Vortrags bei einem Getränk in drei Gesprächsgruppen zu vertiefen. Im Anschluss fand dann ein Austausch mit dem Referenten darüber statt. So diene die Sommerakademie auch der Begegnung und dem gegenseitigen Austausch, freute sich Pastor Christoph Herbold von der Lutherkirchengemeinde, der diese Veranstaltungsreihe in Leer ins Leben gerufen hat.
Der nächste Vortrag findet statt am Dienstag, den 5. Juli 2016, um 19.30 Uhr. Dann kommt der Landessuperintendent des Sprengels Stade, Dr. Hans Christian Brandy, und spricht über „Martin Luther und seine Reformation des Gottesdienstes“. Dabei geht es um die Frage, wie Luthers reformatorische Einsicht die Feier des evangelischen Gottesdienstes verändert hat. Alle Interessierten sind herzlich willkommen. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.