Gespräch zwischen Regionalbischof Detlef Klahr und Ulf Thiele (MdL)
Als 1.Uplengener Dialog fand ein „taktvoller Wortwechsel“ zwischen Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr und dem Landtagsabgeordneten Ulf Thiele statt. Der CDU-Gemeindeverband Uplengen hatte mit seinem Vorsitzenden Matthias Caspers dieses Format anlässlich des Reformationstages, der in Niedersachsen in diesem Jahr erstmalig als gesetzlicher Feiertag begangen wurde, ins Leben gerufen.
Unter dem Thema, „Europa, das christliche Abendland – Frisst die Reformation ihre Kinder?“, führten die beiden Gesprächspartner ein gegenseitiges Interview, an dem sich dann das Publikum beteiligen konnte. 50 Interessierte waren in das Dorfgemeinschaftshaus nach Großoldendorf gekommen.
„Es ist gut, wenn wir einen kirchlichen Feiertag als gesetzlichen Feiertag haben, an dem wir uns reiben können“, nahm Ulf Thiele Stellung zur Feiertagsdebatte im Niedersächsischen Landtag in den vergangenen drei Jahren. Eine Auseinandersetzung in unterschiedlichen Facetten zu führen, sei Sinn dieses Reformationstages, so Thiele. „Wir brauchen einen Tag, an dem Diskussionen geführt werden!“, ist der Politiker überzeugt.
70 Prozent der europäischen Bevölkerung seien christlich getauft, aber ob sie es auch durchdrungen haben, was das bedeutet, fragte sich der Landtagsabgeordnete. Die Werte des Christentums in seine Zeit zu übersetzen, das habe Martin Luther getan, dem gelte es, am Reformationstag nachzuspüren.
Luther habe die Freiheitsrechte eines Menschen vor Gott gesehen. Das gehe heute verloren. Thiele ist überzeugt: „Der Populismus dieser Zeit ist nur deshalb möglich, weil wir die Werte verlieren, auf die wir diesen Kontinent aufgebaut haben.“
Der Regionalbischof für den Evangelisch-lutherischen Sprengel Ostfriesland-Ems befürwortete ausdrücklich den gesetzlichen Feiertag als kirchlichen Feiertag. Darin komme eine Wertschätzung dafür zum Ausdruck, was über Jahrhunderte gewachsen sei und die Gesellschaft mitgeformt habe. Der Reformator Martin Luther habe viele Anstöße zu Veränderungen in Kirche und Gesellschaft gegeben. Für ihn war der Glaube keine Privatsache, sondern sei immer zugleich an Gott und den Nächsten gebunden. Der Einzelne bekomme von Gott die Freiheit geschenkt, für andere verantwortlich zu handeln. Nach Luther gehöre es zum Auftrag der Christen, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Auch darum habe er sich an die politische Obrigkeit gewendet und zu Reformen aufgefordert.
Besonderen Wert habe Luther dabei auf die Bildung gelegt und sich für die schulische Bildung von Mädchen und Jungen eingesetzt. „Heute Nachmittag geschieht politische Bildung. Wir informieren uns, hören aufeinander, reden miteinander und bilden uns eine eigene Meinung.“ Bildung sei nötig, um Dinge in differenzierter Weise wahrzunehmen. „Wir leben in einer Zeit, in der es einen Hang gibt, Problemlagen zu vereinfachen“, sagte Klahr. Die Reformatoren aber hätten darauf Wert gelegt, Unterscheidungen vorzunehmen und sich dabei von Gottes Wort leiten zu lassen.
Hierin sah der Regionalbischof die Gefahr des Populismus heute, wenn einfache Antworten gegeben würden. „Das Leben ist nicht einfach und auch nicht in Schwarz-weiß-Kategorien zu fassen“, betonte der Regionalbischof.
Von dem Reformator könne man lernen, für seine Überzeugung einzutreten, nachdem man sich gründlich informiert hat. Luthers reformatorische Einsichten waren einem gründlichen Studium der Bibel entwachsen. Den Leuten nach dem Munde zu reden, lag ihm völlig fern.
Der Politiker fragte den Theologen nach der Bedeutung des Gottesbezugs in einer Verfassung. In den Europäischen Verträgen sei kein Gottesbezug zu finden, so Thiele. Die Franzosen würden auf Grund ihrer Geschichte, geprägt durch die Französische Revolution, den Mehrwert der Rechte eines Einzelnen aus dem Mehrwert für die Gesamtheit ableiten. Das sei ohne Gott möglich. Bei uns würden aber die Grundrechte des Menschen auf Gott zurückgeführt, sagte Thiele.
„Nicht alle im Staat sind gläubig, und dennoch ist der Gottesbezug wichtig“, betonte der Regionalbischof. „Wo der Gottesbezug in einer Verfassung steht, wird deutlich, dass der Mensch nicht die letzte Instanz ist.“ Der erste Artikel des Grundgesetztes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, sieht der Regionalbischof eng mit dem Gottesbezug verbunden. „Wir alle, auch der Staat, leben von Wertsetzungen, die wir nicht selber geschaffen haben“, so Klahr.
Auch in Deutschland sei die Neutralität zwischen Kirche und Staat gewährleistet, doch in anderer Weise als in Frankreich. Der Regionalbischof begrüßte sehr, dass in Deutschland der Glaube öffentlich gelebt werden dürfe. Die Landeskirche Hannovers werde in ihrer neuen Kirchenverfassung ausdrücklich einen positiven Bezug zur Demokratie aufnehmen.
Thiele betonte das Recht der freien Glaubensausübung. Es dürfe kein Mensch seines Glaubens willen verfolgt werden. Das gelte für religiöse Gemeinschaften, von denen sich jemand um seines Glaubens willen trennen möchte, dafür aber von seinen Glaubensgenossen verfolgt werde, aber auch für Staaten, die etwa Christen mit dem Tode drohen, weil sie ihren Glauben leben.
Das Recht auf freie Glaubensausübung sei zu verteidigen, so Thiele.
„Christen sind die meist verfolgte Religionsgemeinschaft auf der Welt“, sagte Klahr und hob hervor, wie wichtig es sei, dass der deutsche Staat Religionsfreiheit als ein Grundrecht des Menschen verstehe.
Der Reformationstag ist seit diesem Jahr ein neuer gesetzlicher Feiertag in Niedersachsen. Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte der Mönch und Theologieprofessor Martin Luther 95 Thesen gegen Missstände in der Kirche seiner Zeit. Mit der Reformation wurden Grundsteine unserer heutigen Gesellschaftsform in Europa gelegt.