Erntedankfest feiern
„Herr, es ist Zeit, der Sommer war sehr groß“, so dichtete es Rainer Maria Rilke in seinem Herbstgedicht.
Ja, wahrlich es war ein großer Sommer! Sonne und Temperaturen, wie wir sie in dieser Weise lange nicht hatten. Doch zum Erntedankfest wirft dieser Sommer auch seine Schatten. Was für den Wein gut war, ist für andere Erntebereiche von Nachteil gewesen. Zu stark haben die Pflanzen unter der Hitze gelitten und konnten sich nicht entwickeln oder sind ganz verdorrt.
Dennoch feiern wir am Sonntag das Erntedankfest. Ein Fest des Dankes an Gott für alle Lebensmittel, die wir zum Leben empfangen. Zwar pflügt und streut der Mensch in die Gärten und Felder, aber das Wachsen und Gedeihen liegt allein bei Gott.
Einmal im Jahresablauf richten wir in den Gottesdiensten den Blick auf das Wachsen und Reifen, dass wir Menschen so gar nicht in der Hand haben. Alle Ernte ist Arbeit, aber eben auch Geschenk.
Die geschmückten Altäre in den Kirchen zeigen uns vor allem, dass wir Beschenkte sind. Und eine Ahnung stellt sich vielleicht beim Nachdenken ein, dass nichts selbstverständlich ist, nicht das tägliche Brot und auch nicht die anderen Güter, die wir zum Leben brauchen.
Wer sich selbst beschenkt weiß, wird bereit, mit anderen zu teilen, was er hat. So wie es in dieser kleinen Geschichte zum Ausdruck kommt: Ein Mönch an der Klosterpforte bekommt von einem Winzer eine herrliche Weintraube geschenkt. Die ist so schön, dass er sie gleich weiter verschenkt an einen kranken Mönch. Der freut sich so sehr über diese schöne Traube, dass er sie einem anderen Mitbruder gibt, der ihn besucht hat. Am Abend aber, schenkt dieser Mitbruder dem Mönch an der Pforte, eben diese Weintraube, der sie sich nun am Abend fröhlich schmecken lässt.
Als von Gott Beschenkte haben wir eigentlich täglich Gründe, ein kleines Erntedankfest zu feiern. Für das tägliche Essen allemal, oder auch für die Früchte des Glaubens, die Namen tragen wie Glück, Liebe oder Gnade.