Die Zukunft des Christentums ist ökumenisch

Nachricht Leer, 26. Oktober 2018

Direktor des Ökumeneinstituts Paderborn und Regionalbischof Klahr in Leer

„Im Vorfeld des Reformationsfeiertages ist es für uns ein Geschenk, etwas über den Ertrag des 500-jährigen Reformationsjubiläums von ihnen zu hören“, sagte Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr zum Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik im Erzbistum Paderborn, Professor Dr. Wolfgang Thönissen. Der Regionalbischof und der Professor für Ökumenik waren vom gemeinsamen Pfarrkonvent der Evangelisch-lutherischen Kirchenkreise Emden-Leer und Rhauderfehn eingeladen worden, um ein Jahr nach dem großen Reformationsjubiläum Bilanz zu ziehen. Die Frage, „Welche Impulse bleiben für die Ökumene?“, interessiere die Pfarrerschaft beider lutherischen Kirchenkreise, sagte Pastor Sven Grundmann aus Holtland, Stellvertretender Superintendent im Kirchenkreis Emden-Leer. 

 

Die Zukunft des Christentums ist ökumenisch

„Ich bin überzeugt, die Zukunft des Christentums ist ökumenisch oder es hat keine Zukunft“, stellte der Regionalbischof für den Sprengel Ostfriesland-Ems fest. „Martin Luther hat katholische Wurzeln. Wir haben ein gemeinsames 1500-jähriges Erbe. Die Kirchenväter der frühen Jahrhunderte gehören auch zu uns“, so der lutherische Regionalbischof. Die heutigen ethischen Fragen seien eine Herausforderung, auf die gemeinsamen theologischen Grundlagen zu sehen, so Klahr.

Eine theologische Sternstunde hätten die 42 Pastorinnen und Pastoren an diesem Morgen erlebt, dankte Klahr dem Referenten. Martin Luther sei es in allen praktischen Fragen immer zugleich um die theologischen Grundlagen gegangen.

Einheit als gestaltete Vielfalt

Professor Thönissen zog nach seiner 40-jährigen Beschäftigung mit Luthers Theologie und jahrzehntelanger Beteiligung an ökumenischen Gesprächen das Fazit: „Die kirchliche Einheit steht nicht fest, sondern ist ein Prozess.“ Es gelte die Vielfalt einzubringen in den Prozess der Einheit. Die Einheit sei als gestaltete Vielfalt zu verstehen. Das Bekennen der eigenen Standpunkte sei kein Ausdruck der Trennung, sondern der Katholizität. Unterschiedliche Zugänge zu grundsätzlichen theologischen Fragen seien als ergänzend zu verstehen. „Dann eröffnet sich eine Perspektive für die Gemeinsamkeiten ohne die Unterschiede auszublenden“, so Thönissen. „Die ökumenischen Dialoge der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass wir gewinnen, wenn wir den Reichtum unserer verschiedenen Traditionen erschließen, nämlich eine größere Einheit.“

Umarmung in Lund

Der Referent gab einen Einblick in die zehnjährigen Vorbereitungen des 500-jährigen Reformationsjubiläums. Die Umarmung von Papst Franziskus mit der schwedischen Erzbischöfin Antje Jackelén am Reformationstag 2016 zum Auftakt des Jubiläums, sei eine große Überraschung gewesen. „Wir waren alle tief bewegt, dass ein solches Symbol möglich ist“, so Thönissen, der gemeinsam mit dem Direktor des Ökümeneinstituts des Lutherischen Weltbundes in Straßburg, Professor Dr. Theo Dieter, mitverantwortlich war für den Gottesdienstentwurf und den theologischen Grundlagentext „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“.

Vom Konflikt zur Gemeinschaft

Dieser Text hatte es geschafft nach jahrelangen Vorüberlegungen, in vier Punkten Martin Luthers Theologie prägnant zusammenzufassen, um dann an diesen Punkten Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuweisen: Rechtfertigung, Eucharistie, Amt, sowie Schrift und Tradition.

Dabei stünde die Frage im Vordergrund, wie mit der Vergangenheit umgegangen werde. „Wir können die Vergangenheit nicht verändern, aber den Umgang mit der Vergangenheit“, sagte Thönissen. Dies sei ein entscheidendes Merkmal der gemeinsamen ökumenischen Bemühungen, wie es in dem Text „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ aus dem Jahr 2013 zum Tragen gekommen sei.

Der Auftakt zum Reformationsjubiläum im ökumenischen Festgottesdienst mit Papst Franziskus und Munib Yunan, dem Vorsitzenden des Lutherischen Weltbundes, im schwedischen Lund habe viele Impulse gebracht. Dieser Auftakt sei das Ende eines langen Weges und doch etwas Neues gewesen. Zehn Jahre vorher sei noch undenkbar gewesen, dass der Papst an solch einem Gottesdienst teilnimmt. Die jahrelange gemeinsame ökumenische weltweite Vorbereitung sei dafür eine wichtige Voraussetzung gewesen, dass Papst Franziskus sogar für die Früchte der Reformation danken und sie als gemeinsame Schätze bezeichnen konnte. Dazu gehören das gemeinsame Lesen des Evangeliums und die Rechtfertigung des Sünders aus Gottes Barmherzigkeit als Grunderkenntnis des Evangeliums. Im Jahr 2016 sagte Papst Franziskus wie Luther 500 Jahre zuvor: „Die Gerechtigkeit wird von der Gnade und Barmherzigkeit umfangen.“

Die Verkündigung des Evangeliums heute sei die Verkündigung der Gnade und Barmherzigkeit, stellt Thönissen fest.

Anlass der Reformation

Der Protest Luthers setzte gerade an diesem Punkt ein, dass die Gnade nicht als Instrument zur Besserung des Menschen zu verstehen sei. Daraus folge seine Kritik am Ablass.

Thönissen stellte fest, dass Luther vielmehr in der mittelalterlichen Theologie verwurzelt sei, als bisher wahrgenommen wurde. So habe bereits der Theologe Bernhard von Clairvaux 300 Jahre vor Luther formuliert, was dieser in seiner ersten Ablassthese aussagt, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei. Luther korrigiere die einseitige Entwicklung des Bußsakramentes im Mittelalter und bette es insgesamt in den umfassenden Vorgang der Buße, auch der nichtsakramentalen, ein. Das Bußsakrament als solches sei erst in Folge der iro-schottischen Mönchsmission nach dem 10. Jahrhundert entstanden.

In diesem Zusammenhang müssten auch die Unsicherheiten und Fehlentwicklungen im theologischen Verständnis von Gerechtigkeit gesehen werden, die Luther mit seiner Theologie aufdeckte und an die sich seine Kritik am Ablass anschloss.

Reformation als bleibende Herausforderung

Der Direktor des Ökumene-Instituts in Paderborn ist überzeugt, dass etliche Impulse aus der Vorbereitung und der Feier des Reformationsjubiläums als Christusfest hervorgegangen seien.

Die Reformation sei nicht mehr als Spaltung der Kirche im Sinne eines Glaubenskampfes zu verstehen, sondern als Herausforderung, die Einheit in Vielfalt zu gestalten. „Wir Katholiken können uns mittlerweile vorbehaltlos und offen mit dem Begriff der Reformation beschäftigen. Wir können voneinander lernen“, so der Referent. Dazu gehöre es auch, die Vorbehalte gegen Frauen im Amt zu beseitigen. „In etwas mehr als zehn Jahren stehen wir in einigen Diözesen in Deutschland ohne Priester da. Ohne den Zugang zum Amt oder die Teilhabe am Amt zu ermöglichen, ist diese Krise nicht zu lösen“, ist Thönissen überzeugt. „Von der wichtigen Erfahrung, dass Frauen am Amt teilhaben, können wir lernen. Die Teilhabe am sakramental verstandenen Amt durch Frauen wird eine Option sein, die wir nicht nur prüfen, sondern auch umsetzen müssen.“ Dies sei eine bleibende Herausforderung der Reformation. Auch evangelische Kirchen hätten Jahrhunderte gebraucht, um Frauen am Amt teilhaben zu lassen. „Das ist für uns alle eine Lernbewegung“, so Thönissen.

Christen auf dem Weg in die volle Gemeinschaft

Der gemeinsame Pfarrkonvent der Kirchenkreise Emden-Leer und Rhauderfehn wurde geleitet von den stellvertretenden Superintendenten Wolfgang Ritter (Emden-Borssum), Sven Grundmann (Holtland) und Martin Sundermann (Langholt). Die jährliche Zusammenkunft der Pfarrerschaft beider Kirchenkreise bestehe als Tradition seit 1934, sagte Sundermann. Neue Pastoren werden durch den Eintrag in ein dafür vorgesehenes Buch in den gemeinsamen Pfarrkonvent aufgenommen. Dazu gehörten in diesem Jahr die Pastoren Christophe Costi (Steenfelde), Torben Weinz (Collinghorst) und Militärpfarrerin Ulrike Fendler.