Ostern beginnt am Tiefpunkt, im Grauen des Kreuzes, in Nächten voller Tränen. Ostern beginnt mit einem Liebesdienst auf dem Friedhof: Noch einmal wollen die Freundinnen die Leiche von Jesus berühren und einsalben. Sie gehen den vertrauten Weg zur Grabhöhle – und sind auf einmal in unbekanntem Land ohne vorgezeichneten Weg.
Sie sehen Jesus, hören seine Stimme … und fassen es nicht. Welche Bilder sollen sie finden für die Begegnung mit dem toten und wieder lebendigen Jesus? Wie sollen sie reden von etwas, für das es keine Worte gibt und das alles Gewohnte aus den Angeln hebt?
Erst später, dann aber umso mächtiger, steigen in ihnen die Worte auf: Er lebt! Ihr Weinen wird zum Lachen.
„Ihr spinnt!“, sagen die anderen, die davon hören. Es mag ein schmaler Grat sein zwischen Spinnerei und Hoffnung, die so nah beieinander liegen und sich zum Verwechseln ähnlich sehen können. Denn auch beim Hoffen geht es ums Spinnen einer Schnur. Hoffnung heißt auf Hebräisch Tikva. Schnur.
Ein Spinnennetz, auf dem die Morgensonne Tautropfen wie kleine Diamanten funkeln lässt, ist ein Wunder der Natur, eines der vielen Wunder, die uns umweben. Spinnenseide ist eine elastische Superschnur, viermal so belastbar wie Stahl.
Die Kreuzspinne spinnt ihr Netz mit einem Kreuz auf dem Rücken. Wenn es sein muss, jeden Tag wieder neu. Solange Leben in ihr ist, hört sie nicht auf, Spinnenseide wie funkelnde Lichtfäden in die Welt zu entlassen. Ein sprechendes Bild für uns Christen von Anfang an.
Auch wir tragen seit der Taufe das Zeichen des Kreuzes auf der Stirn. Das Leben kann ein schweres Kreuz sein. Aber genauso umweben uns Lichtfäden der Hoffnung seit das erste Mal geschrien wurde: Jesus lebt! Solange wir atmen, werden wir mitspinnen an den Hoffnungsnetzen für diese Welt. Jesus lebt und auch wir werden leben! Frohe Ostern!
Regionalbischöfin Sabine Schiermeyer