Zum 21. Mal fand der Seefahrergottesdienst in der Evangelisch-lutherischen Christuskirche in Leer statt. Jedes Jahr werden andere Predigerinnen und Prediger dazu eingeladen. In diesem Jahr hielt Regionalbischöfin Sabine Schiermeyer die Predigt.
„Seitdem ich als Kind mit meiner Familie in Neuharlingersiel war, liebe ich die Nordsee“, erzählte Schiermeyer und warf einen besonderen Blick auf die Zeit, als sie als Studentin als Zimmermädchen auf der Insel Juist arbeitete. Dort seien die ewigen Rhythmen von Ebbe und Flut, von Kommen und Gehen, Leben und Sterben besonders zu spüren. Sechsmal musste dort die Kirche wieder aufgebaut werden. Besonders schlimm, gar das schlimmste Unglück, das je über die Insel und die gesamte Nordseeküste hereinbrach, sei die Weihnachtsflut von 1717 gewesen.
„In dieser Welt gibt es keine selbsterschaffene Sicherheit“, sagte die Regionalbischöfin und nahm damit Bezug auf den Predigttext: „Wenn Jesus am Ende der berühmtesten Rede der Welt, der Bergpredigt, vom klugen Mann und vom Hausbau auf Felsen redet, dann meint er genau das: Menschen, die vertrauensvoll leben und liebevoll handeln, sind Menschen, die ihr Leben an etwas Felsenfestes außerhalb ihrer selbst knüpfen. Sie trauen nicht der eigenen Kraft, um ihr Leben zu sichern.“ Diese Kraft komme von Gott. Es sei die Kraft der Güte und zum Guten, die die Welt zu einem helleren Ort mache. Sie bewege dazu, zu retten, zu helfen und zu heilen, Mitmensch zu sein.
Lieder von der Seefahrt
Seit dem ersten Seefahrergottesdienst vor 21 Jahren sorgen die Mitglieder des Shantychors „Overledinger Jungs“ aus Collinghorst für die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes. Ihre Lieder erzählen von der Schönheit der See, von der Sehnsucht nach Weite, aber auch von der Einsamkeit, dem Trennungsschmerz und den drohenden Gefahren auf See. Ein plattdeutsches Lied beschreibt die große Weihnachtsflut von 1717.
Durch den Gottesdienst führte Silvia Köhler, Pastorin der Christuskirche. Die Lesung des Predigttextes aus dem Matthäusevangelium (Matthäus 7,24-27) hatte Alfred Hinrichs aus dem Kirchenvorstand übernommen. Mathilde Buse spielte die Orgel.
Seemannspastor Meenke Sandersfeld blickte auf die vergangenen zwölf Monate zurück. Sandersfeld ist Leiter des Seemannsheims Emden der Ostfriesischen Evangelischen Seemannsmission. Er stellte die Bedeutung der Landgänge für die Besatzungen heraus und freute sich, dass diese nach der Covid-Zeit nun wieder zugenommen hätten, auch wenn die Zahlen der Vor-Corona-Zeit noch nicht wieder erreicht seien.
Sandersfeld warf einen Blick auf Themen, die die Seeleute besonders betreffen. Dazu gehört das Feuer auf dem Autofrachter „Fremantle Highway“ vor über einem Jahr, bei dem ein Seemann ums Leben kam, und der Brand auf einem Öltanker vor drei Wochen in der Ostsee. „Wir in der Seemannsmission sind vernetzt und sind bei den Rettungsaktionen einbezogen, wenn ein Unfall geschieht“, so Sandersfeld.
Im Gottesdienst wurde der gestorbenen und auf See gebliebenen Seeleute mit einer Schweigeminute und im Gebet gedacht. Dabei wurde zudem Pastor i.R. Hermann Reimer gewürdigt, der im Frühjahr plötzlich verstorben ist. Der ehemalige Pastor aus Spetzerfehn war auch auf Kreuzfahrtschiffen als Seelsorger tätig und im Seefahrergottesdienst in Leer oft dabei und hatte bereits für diesen Gottesdienst die Predigt zugesagt.
Seefahrergottesdienst seit 21 Jahren
Das ehemalige Küsterehepaar der Evangelisch-lutherischen Christuskirche in Leer, Wolfgang und Margreth Haberecht, bereiten diesen maritimen Gottesdienst seit 21 Jahren vor. Als Tochter eines Kapitäns zur See liege es ihr sehr am Herzen, erzählte Wolfgang Harberecht am Rande des Gottesdienstes über seine Frau. Ihr Vater starb bei einem Schiffsunglück auf hoher See, als sie elf Jahre alt war. Mit wieviel Herz dieser Gottesdienst auch in seinem 21. Jahr vorbereitet wurde, durften wieder einmal über 200 Besucherinnen und Besucher erleben.
Entstanden war diese Gottesdienstform aus der Idee heraus, eine neue Form von Gottesdienst anzubieten. So hatte auf einer Gemeindeversammlung ein ehemaliger Kapitän einen Seefahrergottesdienst vorgeschlagen. Texte, Choräle und Gebete sind in einer Seefahrtsfassung formuliert.
In der Hafenstadt Leer hat die Seefahrt eine lange Tradition. Zudem ist Leer der einzige Hochschulstandort in Niedersachsen, an dem eine „Seefahrtschule“ integriert ist.
Die in dem Gottesdienst gesammelte Kollekte kommt zu gleichen Teilen dem Seemannsheim in Emden und der Suppenküche der Christuskirchengemeinde zugute. Im Anschluss an den Gottesdienst wurde Seemannspastor Sandersfeld gestrickte Strümpfe und Schals für die Adventsaktion der Seemannsmission in Emden übergeben.