Prüft alles und behaltet das Gute!

Nachricht Emden, 08. Januar 2025

Andacht von Regionalbischöfin Schiermeyer zur Jahreslosung 1. Thess. 5,21

Zum Jahresbeginn gehört das Aufräumen des Kleiderschranks. Ich sortiere aus, was zu kaputt, zu klein, zu unmodern ist. Manchmal schmerzt es mich, ein geliebtes, aber endgültig verschlissenes Teil wegzuschmeißen. Aus mancher Farbe und manchem Schnitt bin ich aber auch einfach rausgewachsen – und so entsorge ich manchmal auch „Modesünden“ meiner Vergangenheit. Manches, was ich mal gut fand, war es tatsächlich nie – aber erst im Rückblick, geprägt von neuen Trends, kann ich manche Scheußlichkeit und manchen Fehlgriff erkennen.

Das gilt nicht nur für mein Außen, sondern auch für mein Innen. Das gilt nicht nur für mich persönlich, sondern auch für uns als Gesellschaft und als Kirche. Wir sind Musikrichtungen, Bauformen, Techniken entwachsen. Und genauso auch alter Moral, alten Gesetzen und alten Kirchenformen.

Manches hat einfach seine gute Zeit gehabt. Anderes war nie gut. Wie gut, dass Kinder nicht mehr geschlagen werden dürfen, Frauen auf der Kanzel den Mund auftun und gleichgeschlechtliche Paare den Segen für ihre Liebe bekommen. Ergebnisse eines Prüfprozesses, an dessen Ende die Rechte von Kindern, Frauen und Liebenden für gut befunden und gestärkt wurden. Von der Mehrheit jedenfalls.

Zur Wirklichkeit gehört auch, dass zum Prüfen und Aussortieren unterschiedliche Ergebnisse gehören. Nicht für alle ist alles gleich gut. Vielleicht war es überhaupt noch nie anspruchsvoller als heute, Gütekriterien zu entwickeln, die nicht nur für mich und mein kleines Leben gelten.

Was ist (noch) gut – und was kann weg? Darauf finden wir keine gemeinsame Antwort mehr. Stattdessen Empörung und Shitstorm?  Oder aber einfach  gelassen die uralten Worte des Apostels Paulus nachsprechen: „Prüft alles und das Gute behaltet!“ Was gut ist, muss verhandelt werden.

Es ist nicht alles von gleich hoher Qualität, was in diesen Prüfprozess kommt. Polyesterlappen oder Seidenschal? Beides kann zu seiner Zeit seinen Sinn haben. Paulus legt uns den Prüfauftrag ans Herz und entfaltet Gütekriterien. Ganz grundlegend könnte man sie folgendermaßen zusammenfassen: Ist euer Blick auf Menschen und die Welt von liebevoller Solidarität geprägt – oder doch von dunklen Motiven?

Das Ringen um das Gute ist jedenfalls kein Selbstzweck, kein wokes Getue und kein Moralapostelgeschrei. Es geht darum, Gottes Geist in uns und zwischen uns nicht auszulöschen. Den Funken der Liebe, der Kreativität, der mutigen Entwicklung. Denn gerade dadurch werden wir doch, was wir von Anfang an sein sollen: Ein Ebenbild des Höchsten, toll aussehend und angezogen für einen Himmelsblick, der uns einfach gut findet.