Sonntagsbetrachtung von Regionalbischof Klahr
Der Frühling ist nah! In diesem Jahr ist in der Natur ja alles viel früher. Ich möchte fröhlich mit Hoffmann von Fallerslebens Kinderlied (1835) singen „Alle Vögel sind schon da, alle Vögel alle!“. „Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar wünschen dir ein frohes Jahr, lauter Heil und Segen.“ In diesem Jahr fällt es mir nicht so leicht, fröhlich zu singen. Zu beherrschend ist die Krise, die wir alle im Moment durchstehen müssen. Zu groß die Sorge um die eigene Gesundheit und derer, die wir lieben.
Zum Glück naht der Frühling. Die befreiende Kraft des Frühlings wird in allen Kulturen fröhlich gefeiert und in vielen Ländern dieser Erde beginnt mit dem Frühling ein neues Jahr.
Dieser Sonntag trägt den Namen „Okuli“. Ich habe noch den Spruch gelernt: „Okuli, da kommen sie.“ Auch hier sind die Vögel, insbesondere die Schnepfen gemeint, die nun wieder in Wald und Flur zu sehen und zu hören sind.
Der Name „Okuli“ ist das lateinische Wort für „Augen“. Der Name des Sonntags leitet sich ab von dem lateinischen Anfang des Psalms 25,15: „Okuli mei semper ad Dominum“- „Meine Augen sehen stets auf den Herrn“.
Und genau das tun wir in der Passionszeit als Christen. Wir sehen auf Jesus und seinen leidvollen Weg bis zum Tod am Kreuz.
Schmerzvolle Erfahrungen von Abschied und Tod macht jeder in seinem Leben. Der Blick auf Jesus zeigt, dass er selbst diesen Weg gegangen ist. Der Blick auf Jesus zeigt aber auch, dass diese dunkle und leidvolle Seite des Lebens nicht das letzte Wort behält, sondern dass Gott uns immer neu ins Leben ruft. Der Frühling ist dafür wie ein Sinnbild, wenn nach dem Winter das Leben sich wieder zeigt.
„Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“ Mir sagte einmal eine schwerkranke Frau, die ich besuchte: „Wenn ich auf Jesus sehe, dann bekomme ich Kraft.“ Und dabei schaute sie auf ein kleines Kreuz, das an der Wand über ihrem Bett hing.
Okuli! Wohl uns, wenn unsere Augen in allen Situationen des Lebens auf Jesus sehen.