Waldemar Kerstan prägte eine ganze Generation der Evangelischen Jugend in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim. Im Interview mit Öffentlichkeitspastor Ulrich Hirndorf blickt der Diakon auf über 31 Jahre lutherische Jugendarbeit in der Region zurück.
Herr Kerstan, Ihre Wurzeln liegen nicht im Westen Niedersachsens. Wie sind Sie überhaupt auf diesen Kirchenkreis gekommen?
Pastor Dirk Hölterhoff aus Lingen hat mich bei einem gemeinsamen Seminar gefragt ob ich die vakante Stelle im Kirchenkreisjugenddienst übernehmen würde.
Im Oktober 1988 bin ich mit meiner Familie aus Clausthal-Zellerfeld im Oberharz nach Meppen gezogen. Somit tauschten wir den Blick auf die Berge gegen den Weitblick über das flache Land im Emsland.
Im Emsland und auch in der Grafschaft sind die ev.-luth. Christen in der Minderheit.
Wie haben Sie das erlebt?
„Guten Tag Herr Kerstan, zu welcher Kirche gehören sie?“ Das war zu Beginn oft eine der Fragen bei den Begegnungen mit den Menschen hier. Wir kamen aus dem Oberharz, wo der größte Teil der Bevölkerung der Ev.-luth. Kirche angehörte. Von daher kannten wir diese Fragestellung nicht. Es schreckte aber auch nicht ab, dass ich Lutheraner bin. Ob Emsland oder Grafschaft, in allen Alltagssituationen konnte ich über Kirche sprechen. Viele sind nach wie vor mit der Kirche verbunden. Sei es weil sie einen kirchlichen Arbeitgeber haben oder sich der Gemeinde zugehörig fühlen.
In guter ökumenischer Verbundenheit haben wir als Familie und im Dienst eine Fülle von guten Begegnungen erlebt.
Einen Kirchenkreisjugendwart gibt es wohl nur in der lutherischen Kirche. Was gehörte in 31 Dienstjahren alles dazu?
Ja, das ist so eine Bezeichnung. Als Diakon unserer Kirche bin ich Religionspädagoge mit dem besonderen Auftrag, für Kinder und Jugendliche in einer Region Angebote zu machen und zu vernetzen. Die Verkündigung des Wortes Gottes gehört natürlich auch dazu, das zeigt schon unser Symbol, das Kreuz auf der Weltkugel. Bei allen Freizeiten oder Kursen versammeln wir uns darum und halten Andachten. Das klingt erstmal richtig fromm aber viele Angebote berühren natürlich auch den Bereich der Erlebnispädagogik.
Die Mischung macht´s also?
Ja, ich will mal drei Schwerpunkte benennen: Seminare, Großveranstaltungen und Freizeiten. In den ersten Jahren hatten wir in vielen Kirchengemeinden große Jugendgruppen, die ein Interesse an Seminaren hatten. Die Angebote des Kirchenkreisjugendkonventes dem sogenannten KKJK und eine Fülle von Praxistagen und Workshops wurden gut angenommen. Später wurde der Jugendgruppenleitergrundkurs auf Hallig Hooge eingeführt. In diesem Jahr war es der 27. Kurs auf den Halligen im Wattenmeer. Dort die Elemente Wasser und Wind ganz direkt, manchmal sogar als Sturm zu erleben, ist etwas Besonderes für die Jugendlichen. Dieser Juleica-Kurs ist das „Herzstück“ unserer Jugendarbeit und wird von fast allen zukünftigen Jugendleitern besucht. Viele berufstätige Ehrenamtliche leiten dieses Seminar inzwischen mit und geben ihre eigenen guten Erfahrungen an die nächste Generation weiter. Zu Beginn meiner Dienstzeit waren auch Jugendwochenenden mit Übernachtung angesagt. Zum Beispiel in Lingen unter dem Motto: „Aber bitte mit Sahne“, oder in Aschendorf zum Thema: „Fremder sein“ an denen ca. 120 Jugendliche teilgenommen haben. Da war ganz schön Gedrängel in den Gemeindehäusern und manch Kirchenvorstand hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, was da wieder los ist. Dann folgten die Volleyballturniere mit 15 bis 20 Mannschaften aus dem gesamten Kirchenkreis.
Und seit schon wieder 12 Jahren ist es der Konfirmandentag am Kloster Frenswegen mit regelmäßig 600 Konfis und 150 Teamern, der als Großevent die Kirchenjugend verbindet.
Sie sind aber nicht nur in der Region geblieben. Viele kennen Waldemar Kerstan auch sonnengebräunt mit Gitarre am Meeresstrand oder?
Das hat sich so entwickelt. Durch Angebote von Jugendfreizeiten in Südfrankreich, Kroatien, Polen und auf der Insel Elba stieg das Interesse an den Fahrten in das europäische Ausland. Also erweiterten wir auf Korsika und Sardinien. Hier konnten wir mehrere Camp´s zur gleichen Zeit anbieten und sehr vielen Teamern eine Möglichkeit zur Mitarbeit geben. Im Jahre 1998 haben wir zum Beispiel sechs Jugendzeltlager mit ca. 300 Personen nur auf Korsika durchgeführt. Und hier kommt auch noch einmal das ökumenische Miteinander ins Spiel. Es wurden immer befreundete Jugendliche aus den anderen Konfessionen selbstverständlich mitgenommen. Im Gegenzug haben viele lutherische Kinder die Zeltlager der Katholischen Kirche besucht.
Sie haben die Gitarre dezent verschwiegen. Wie wichtig ist die Musik in der heutigen Jugendarbeit?
Musik ist nach wie vor ein bindendes Glied und schafft Gemeinschaft. Ein Lagerfeuer, Strand, eine Gitarre und eine gute Jesusbotschaft. Mehr braucht es eigentlich nicht. Über viele Jahre gab es auch „Die Kirchenband“ unter der Leitung von Ingo Rosenthal und Jens Meyer aus Uelsen. Samt eines großen Jugendchors. Es wurden CDs aufgenommen und sie waren in vielen Gemeinden zu Gast. Aber auch auf den Kirchentagen in München, Berlin oder Hamburg. Eine Musikerin der damaligen Kirchenband leitet inzwischen als Geschäftsführerin das Kloster Frenswegen. Und viele andere sind ebenfalls im Erwachsenenalter der Kirche verbunden geblieben.
Wie viele Menschen haben sie erreicht mit Ihrer Arbeit?
Wenn ich alle Teilnehmenden und Mitarbeitenden zusammenzähle, dann könnten wir sicherlich das Stadion in Meppen gut füllen.
Was hat sich am meisten verändert in der Jugendarbeit?
Zu Beginn der neunziger Jahre gab es mehr Inhalte und viele Diskussionen über aktuelle Themen. Heute sind es eher Events und kurze sehr gut organisierte Veranstaltungen und Projekte. An einem Jugendwochenende haben sich damals 120 Jugendliche für ein ganzes Wochenende von Freitag bis Sonntag angemeldet. Heute wird der gleiche Zeitraum an einem Wochenende mit mehreren Highlights gefüllt. Zeit wird gestückelt und nicht mehr als eine Zeitspanne erlebt.
Was hat sich nicht verändert?
Jugendliche engagieren sich immer noch gerne bei attraktiven kirchlichen Angeboten.
Sie begleiten als Teamer eine Konfirmandenfreizeit, sind Mitarbeitende im Kindergottesdienst oder in einer Jugendgruppe. Allerdings geschieht das oft nur dort, wo es eine aktive Person gibt, die zu den Jugendlichen eine Beziehung aufbaut, sie begleitet und unterstützt. Ohne „Personal“ geht es also nicht.
Was wünschen sie der Ev.-luth. Jugend in diesem Kirchenkreis?
Ich wünsche dem neu gewählten Jugendvorstand gute Beratungen und dass sie schon bald einen neuen Kirchenkreisjugendwart oder Jugendwartin in ihrer Mitte begrüßen können. Der Ev. Jugend wünsche ich Gottes Segen, viel Phantasie und immer eine kühle Limo. Es war schön mit euch und ich habe sehr gerne in diesem Kirchenkreis gearbeitet. (Öffentlichkeitsarbeit KKEB)