Seelsorge in Zeiten der Krise

Nachricht Emden, 11. Mai 2022

Generalkonvent mit Regionalbischof Klahr in Emden

Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie konnten nun etwa 170 Pastorinnen und Pastoren aus dem Evangelisch-lutherischen Sprengel Ostfriesland-Ems zu ihrem jährlichen Treffen mit Regionalbischof Dr. Detlef Klahr wieder in der Johannes a Lasco Bibliothek und in der Martin-Luther-Kulturkirche in Emden zusammenkommen. Der Tag fand seinen Höhepunkt im gemeinsam gefeierten Abendmahlsgottesdienst. 

Regionalbischof Klahr freute sich sehr, dass die direkte Begegnung möglich war. Es sei ein Tag zur Stärkung und Ermutigung, aber auch der Wertschätzung des pastoralen Dienstes. „Ihr habt Großes geleistet in den zurückliegenden Jahren. Es war keine Zeit des Stillstands, sondern eine Zeit mit großen Herausforderungen, in der viele neue Formate gewachsen sind.“ 

„Dass alles so bleibt, wie es ist“ – kein Motto für die Kirche

„Dass alles so bleibt, wie es ist“, sei kein Motto für die Kirche, so Klahr. „Weil die Kirche nicht so bleibt, wie sie ist, wird sie bleiben“, ist der Regionalbischof überzeugt. Das habe gerade die rasante Entwicklung in den vergangenen Jahren gezeigt. Die Existenz der Kirche hänge auch nicht an der Zahl der Kirchenmitglieder. Welche Wirkung geringe Zahlen haben könnten, hätte einst der Glaube weniger Menschen gezeigt, mit dem alles begonnen habe.  

Noch nie habe er Ostern so intensiv erlebt, wie in diesem Jahr, sagte Dr. Klahr. Der Gruß des Auferstandenen, „Friede sei mit Euch!“, habe gerade in der Begegnung mit den Geflüchteten aus der Ukraine einen durchdringenden Klang. 
Gottes Friede gelte der ganzen Schöpfung. „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ sei der christliche Dreiklang, in dem es zu leben gelte. Das stand noch nie dringlicher vor Augen als heute.

In seinem Bericht dankte der Regionalbischof auch den Pastorinnen und Pastoren im Ruhestand, die nach wie vor im Verkündigungsdienst tätig sind. Eine große Bereicherung seien zudem die 250 Lektorinnen und Lektoren und Prädikantinnen und Prädikanten im Sprengel, die nun erstmals seit Januar 2021 von zwei Beauftragten mit jeweils einem Viertel-Stellenanteil in ihrer Aus- und Weiterbildung unterstützt werden, von Pastor Ulrich Hirndorf aus Twist und Pastorin Reina van Dieken aus Leer. Ein neuer Lektorenkurs konnte nun mit zehn Personen starten.

Im Sprengel wurden in den vergangenen drei Jahren 31 Neue im Pfarrdienst begrüßt und 24 in den Ruhestand verabschiedet. Fünf Vikarinnen und Vikare erhalten zurzeit ihre Ausbildung im Sprengel. Im Sommer wird es drei Ordinationen geben. 

Neuer Kirchenmusikdirektor im Sprengel

Besonders begrüßte Regionalbischof Klahr Kirchenmusikdirektor Johannes Gessner aus Leer. Gessner sorgte für die musikalische Gestaltung des Pfarrkonventes. Am Pfingstsonntag führt Regionalbischof Klahr ihn um 15 Uhr in seinen Dienst als Kirchenmusikdirektor in der Lutherkirche in Leer ein.

Dank von Landesbischof Meister

Aus Hannover angereist war Landesbischof Ralf Meister. Er freute sich sichtlich über die Begegnung und den Austausch und dankte den Pastorinnen und Pastoren für die Begleitung und Hilfe für die Flüchtlinge aus der Ukraine. „Wir sind mit unseren Gemeinden ein hervorragend organisierter zivilgesellschaftlicher Akteur, der schnell reagieren konnte“, so Meister. 

In seinem Bericht gab er einen Einblick in aktuelle Themen, die die Landessynode in der kommenden Woche behandeln wird. Zunächst wird es um eine Stellungnahme zum Krieg in der Ukraine gehen. Die Kirche bleibe deutlich dabei, Möglichkeiten und Chancen zu bedenken, Krieg zu vermeiden und nicht ins Kriegsgeschrei einzustimmen.

Ein weiterer Punkt, der ihm besonders am Herzen liege, sei die Frage der Klimagerechtigkeit. Der Landesbischof wünschte sich, dass die Gemeinden hier noch radikaler in ein klimagerechtes Handeln hineinkommen: „Es geht um das Überleben der Menschen in der Schöpfung Gottes. Wenn wir hier nicht unterstützen und weitergehen, laden wir Schuld auf uns.“

Es sei nun ein Team gestartet, den Zukunftsprozess der Landeskirche zu begleiten. Es habe eine ergänzende Aufgabe, alles, was an Reformveränderungen landauf landab geschehe, zu sammeln, zu kommunizieren und als Modell in anderen Bereichen zu fördern.

Abschließend erinnerte der Landesbischof sich an die Zeit des Lockdowns im vergangenen Jahr, als er 160 Gemeinden innerhalb von sechs Wochen besuchte und 10.000 Kerzen verteilte. „Wir fördern digitale Gemeinden, ich bin mir aber sicher, dass der Mensch für eine sehr lange Zeit ein analoges Wesen bleibt. Die Kirchengemeinden werden das zentrale Moment geistlich gelebter Lebensform bleiben“, so Meister.

Seelsorge in Zeiten der Krise

„Das Leben in unseren Gemeinden verändert sich angesichts der Corona-Pandemie und nun seit dem 24. Februar durch den Krieg in der Ukraine“, sagte Regionalbischof Klahr und betonte, dass die Pastorinnen und Pastoren nah an den Menschen seien. Entwicklungen in der Gesellschaft bekämen sie hautnah zu spüren und müssten dafür passende Worte finden. „Seelsorge ist unsere erste Aufgabe. Ihr lassen sich alle Bereiche unserer pastoralen Praxis zuordnen, denn in allem geht es um die Sorge der Seele, der Seelen der anderen und unserer eigenen.“

Für den inhaltlichen Impuls auf dem Generalkonvent hatte Klahr Professor em. Dr. Hans-Martin Gutmann aus Hamburg zum Vortrag eingeladen: „Die Chance der Seelsorge in Zeiten der Krise“. Gutmann hatte unter dem Eindruck des 9. September 2001 eine Seelsorgelehre veröffentlicht, in der er die Themen Terror, Gewalt und Krieg bedachte. Nun bezog er sie direkt auf den Krieg in der Ukraine.

Kirche als Seelsorgebewegung

Gewalt sei immer mehr als Krieg, führte Gutmann aus. Gewalt vernichte Lebensperspektiven, mache unfähig zur Empathie, durch sie verliere man den Kontakt zur eigenen Leiblichkeit. Gewalt sei eine Gegenmacht zu Gott und müsse umgekehrt werden.
Die Chance der Seelsorge könnte in der Unterbrechung von Gewaltdynamiken und in der Abkehr von Gewalteskalation liegen, so Gutmann. 

Eine entsprechende Haltung könne bereits Gewaltprävention bewirken. Kirche als Ganze sei eine Seelsorgebewegung, die eine Kultur der bedingungslosen Wertschätzung des anderen verbreite. Seelsorge sei die Aufgabe und Kompetenz aller Christen.
Es gelte der zerstörerischen Kraft die heilsame Lebensmacht entgegenzusetzen. 

Gerade in der Begegnung mit Traumatisierten habe die Seelsorge eine bedeutende Funktion in einem ersten von vier Schritten therapeutischer Arbeit. Es gehe darum, die innere Stabilität zu stärken: Einfach ermutigen. Den Blick auf eigene Kompetenzen lenken und Gegenbilder zu den Schreckensbildern finden. Das sei besonders mit Hilfe biblischer Geschichten möglich. Die Geschichte von der Auferstehung Christi etwa biete ein heilsames Gegenbild für diejenigen, die durch sein Leiden und Sterben traumatisiert waren. Seelsorgerliche Gespräche fänden im Raum biblischer Tradition statt. Hier habe die Bibel viel zu bieten.
 

Pfarrberuf attraktiv gestalten

Pastorin Dagrun Petershans (Potshausen) sprach für den Pastorenausschuss des hannoverschen Pfarrvereins. Dabei ging es um die Zukunftsfähigkeit des Pfarrberufs. Wenn in den kommenden Jahren 80 bis 100 Pastorinnen und Pastoren in den Ruhestand gehen, würden nur etwa 30 nachrücken. Es gehe dann um die Fragen „Wie kann der Beruf attraktiv bleiben?“ und „Was macht den Pfarrberuf aus?“ Mithilfe verschiedener Modelle werde ein Lösungsansatz in einer Dienstbeschreibung gesucht.

Information: Der Sprengel Ostfriesland-Ems

Der Sprengel Ostfriesland besteht aus 155 Kirchen- und Kapellengemeinden mit 297.400 Gemeindegliedern in den sechs Kirchenkreisen Aurich, Emden-Leer, Emsland-Bentheim, Harlingerland, Norden und Rhauderfehn.